Stuhltransplantation: Traditionelle Chinesische Medizin nutzt Exkremente seit Jahrhunderten

Während die westliche Medizin erst seit wenigen Jahren erstaunliche Erfolge der Stuhltransplantation erkennt, nutzt die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) Exkremente zur Heilung diverser Erkrankungen seit Jahrhunderten. Kot gesunder Kinder, aber auch von Kaninchen, Flughörnchen, Fledermäusen, Hühnern, Spatzen, Seidenraupen oder Würmern werden gesammelt und als Medizin verabreicht.

Bei der Stuhltransplantation der westlichen Medizin wird Kot eines vermuteten gesunden Spenders in Kochsalz aufgelöst und per Einlauf in den Dickdarm oder über eine Nasensonde in den Dünndarm gebracht. Alternativ wird gefriergetrockneter Kot in Kapseln verpackt, die dann wie eine normale Pille geschluckt werden. Sensationelle Erfolge wurden innerhalb kürzester Zeit nach Verabreichung zum Beispiel bei hartnäckigen Clostridium difficile Durchfallerkrankungen erzielt, die bei weitem die Wirkung von Antibiotika überstiegen (Hvas et al., 2019). Aber auch bei Rheuma, Arthritis, entzündlichen Darmerkrankungen, Fettleber, Diabetes, Übergewicht, Multiple Sklerose, chronischer Müdigkeit und selbst als begleitende Anwendung bei Krebspatienten wird die Stuhltransplantation momentan getestet (Chen et al., 2018; Kelly, 2013; Palmer, 2011; Smits et al., 2013). Offensichtlich verdrängt die transplantierte gesunde Darmflora die krankmachenden Keime im Darm des Patienten. Man geht davon aus, dass die Rekonstruktion der intestinalen Bakterien eine Verbesserung des Gallensäuremetabolismus und des Immunsystems bewirkt. Meist wird Stuhl eines Verwandten transplantiert, weil das den meisten Patienten angenehmer ist als Kot eines Fremden. In den USA gibt es mittlerweile aber bereits Stuhlbanken, ähnlich wie Blutbanken. 

Letztendlich ist der Verzehr von Fäzes nichts Neues und wird mit dem griechischen Wort Koprophagie bezeichnet. Tiere fressen liebend gerne ihre eigenen Hinterlassenschaften oder die von Artgenossen und anderer Tierarten. Beispiele sind Gorillas, Kaninchen, Hasen, Meerschweinchen, und Hunde. Selbst meine Schildkröten tun es, nachdem eine Katze ihr Gehege mit einem Katzenklo verwechselt hat. Man geht davon aus, dass bestimmte Nährstoffe aus vorverdauter Nahrung bei einer erneuten Darmpassage besser verwertet werden können, wie Cellulose, Proteine, Vitamine, Mineralstoffe. Desweiteren werden Darmbakterien aufgenommen. Prinzipiell ist auch der Mensch ein Koprophagist, wobei jedoch die Ausübung der Natur durch gute Erziehung gehindert wird. Kot wird nur in der frühen Kindheit gegessen, bei einer seltenen Art der Essstörung, genannt Pica-Syndrom, oder bei psychischen Erkrankungen wie Demenz, Alzheimer, Hirntumoren, mentale Retardierung, Schizophrenie und Zwangsstörungen. Der Körper weiß halt auch ohne Intellekt was gut für ihn ist…..

Wie ein chinesischer Kollege berichtet, verwendet die TCM Fäkalien gesunder Kinder und fermentiert den Kot in großen Fässern drei Jahre lang. Man möchte damit erreichen, dass nur die guten Darmbakterien überleben, bevor der Kot therapeutisch eingesetzt wird. Meist aber werden Exkremente des komplex gezahnten fliegenden Eichhörnchens (Trogopterus xanthipes) gesammelt. Der Trogopteros Kot, genannt „Wu Ling Zhi“ wird getrocknet und zur Behandlung von Menstruationsschmerzen, Zwölffingerdarmgeschwüren, allgemeinen Magen- und Bauchschmerzen, Muskelkrämpfen, Blutstauungen, Angina Pectoris, Schlaganfall, Herzinfarkt und Krebs eingesetzt (Baek et al., 2014; Yang et al., 2010; Zhao et al., 2010). Es gibt mehrere Kräutermischungen mit Trogopterus Kot, die bekannteste davon ist Shi Xiao San. Weiterführende Informationen finden sich bei China-Park,Therapeutika und Chinese Herbs Healings.  

Eine chinesische Kollegin hat mir nun diese Tüte von einer TCM-Apotheke mitgebracht. In der Tüte befindet sich getrockneter Trogopteros Kot. Erkrankte Chinesen kochen ihn ab und bereiten daraus einen Tee zu. Nebenwirkungen sind keine bekannt, der Kot soll absolut ungefährlich sein.

Normalerweise ist eine Tüte voller Eichhörnchenkot eher kein schönes Mitbringsel. Aber mich hat es sehr gefreut und die Kollegin wusste auch, wie sehr mich das Thema interessiert. Anscheinend sind Fälschungen des Trogopterus Kots im Umlauf, die aus tierischem Dung bestehen, der mit Ton gemischt und zu kleinen Pillen gedreht wird. Man kann den echten vom unechten Kot durch Einlegen in Wasser unterscheiden: der echte Kot schwimmt oben, der Falsche sinkt ab. Wie man sieht, hat mein Trogopterus Kot den Test bestanden.

Aber wie wirkt der Trogopterus Kot nun? Neueste Studien haben gezeigt, dass die Kügelchen hauptsächlich Terpenoide, Polyphenole, insbesondere Ellagitannine, Lignane, Sterole, Aliphaten, Fettsäuren und Flavonoide enthalten. Die Tiere ernähren sich gesundheitsbewusst von Baumrinde, Blättern, Nüssen und Beeren. Deren sekundäre Pflanzenstoffe werden durch bakterielle Zersetzung im Darm aktiviert. Dieser Schritt ist wichtig und fehlt bei Menschen häufig aufgrund einer Fehlbesiedlung des Darms. Ursachen sind ein häufiger Antibiotika-Gebrauch, westliche Fehlernährung, Chemotherapien oder entzündliche Darmerkrankungen. 

Besonders interessant am Trogopterus Kot sind die aktivierten Substanzen der Ellagitannine, die unverdaut für den Mensch nur gering bioverfügbar sind. Die aktivierten und sehr gut bioverfügbaren Ellagitannine nennt man Urolithine. Diese haben im Tiermodell und Studien an Menschen antioxidative, entzündungshemmende und antikarzinogene Wirkung gezeigt (Espin et al., 2013). Außerdem wurden in den ebenfalls enthaltenen Flavonoiden drei Kämpferolsubstanzen mit starker anti-thrombotischer Wirkung identifiziert (Yang et al., 2010). Man hält es für sehr wahrscheinlich, dass der Trogopterus Kot vor allem über die von Darmbakterien aktivierten Inhaltsstoffe diverser sekundärer Pflanzenstoffe therapeutische Wirkung entfaltet. 

Übrigens: ein guter im Eichenfass-gereifter Barrique Rotwein enthält ebenfalls Urolithine, die aus Weintrauben und Eichenholz stammen – es muss daher nicht zwingend Xanthipes Kot sein.

Aber wenn Du den Trogopterus Kot probieren möchtest, bekommst Du ihn beispielsweise über Ebay.  

Danksagung

Ganz herzlich bedanken möchte ich mich bei An Xuefeng, Xi Xiao und Yangyi Wang für die tatkräftige Unterstützung bei Recherchen und Übersetzung chinesischer Texte zum Thema.

Referenzen

Baek, S., Xia, X., Min, B. S., Park, C., and Shim, S. H. (2014). Trogopterins A-C: Three new neolignans from feces of Trogopterus xanthipes. Beilstein J Org Chem10, 2955-2962.

Chen, D., Wu, J., Jin, D., Wang, B., and Cao, H. (2018). Fecal microbiota transplantation in cancer management: Current status and perspectives. Int J Cancer.

Espin, J. C., Larrosa, M., Garcia-Conesa, M. T., and Tomas-Barberan, F. (2013). Biological significance of urolithins, the gut microbial ellagic Acid-derived metabolites: the evidence so far. Evid Based Complement Alternat Med2013, 270418.

Hvas, C. L., Dahl Jorgensen, S. M., Jorgensen, S. P., Storgaard, M., Lemming, L., Hansen, M. M., Erikstrup, C., and Dahlerup, J. F. (2019). Fecal Microbiota Transplantation Is Superior to Fidaxomicin for Treatment of Recurrent Clostridium difficile Infection. Gastroenterology156, 1324-1332 e1323.

Kelly, C. P. (2013). Fecal microbiota transplantation–an old therapy comes of age. N Engl J Med368, 474-475.

Palmer, R. (2011). Fecal matters. Nat Med17, 150-152.

Smits, L. P., Bouter, K. E., de Vos, W. M., Borody, T. J., and Nieuwdorp, M. (2013). Therapeutic potential of fecal microbiota transplantation. Gastroenterology145, 946-953.

Yang, N. Y., Tao, W. W., and Duan, J. A. (2010). Antithrombotic flavonoids from the faeces of Trogopterus xanthipes. Nat Prod Res24, 1843-1849.

Zhao, J., Zhu, H. J., Zhou, X. J., Yang, T. H., Wang, Y. Y., Su, J., Li, Y., and Cheng, Y. X. (2010). Diterpenoids from the feces of Trogopterus xanthipes. J Nat Prod73, 865-869.

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